Gastbeitrag

Über Sex-Parties und Feminismus

Wusstet ihr, dass der G-Punkt eigentlich die Klitoris ist und es schon alleine deshalb nicht den „guten“ und „wahren“ vaginalen Orgasmus gibt? Keine Sorge, diese Erkenntnis ist gerade mal vier Jahre alt und weiterhin umstritten. Aber wie man in der Netflix-Folge „Explained: Female Orgasm“ erklärt bekommt, ist die Wissenschaft eh nicht besonders dahinter die mystische Vulva zu erforschen und monetär für das Wohl unserer Lippchen etwas liegen zu lassen.

 

Und da wären wir auch bei dem Thema, warum Feminismus 2018 noch immer wichtig ist: Solange O.B.s und etwaige hygienische Artikel mit der Luxussteuer besteuert werden, Krankheitsverläufe und sogar ganze –bilder nicht automatisch aus dem Gender-Aspekt betrachtet werden und Frauen neben den entmenschlichten Rollenbildern (ob in der konservativen Religion oder dem Mainstream-Porno) leiden müssen, sollte niemand jemals behaupten, dass wir den Feminismus nicht mehr brauchen. Natürlich hat sich die Bewegung verändert, genauso wie ihre Ziele. Feminismus findet heute hauptsächlich im Internet statt. Das ist aus mehreren Gründen super, aus einigen aber nicht.

 

Im Internet ist man oft nur ein kleiner Bruchteil eines endlos langen Feeds. Und jeder Feed gehört einem Menschen in seiner Echo-Kammer. So versauern viele feministische Aktivist_innen – zwar mit 100.000 Instagram-Followern – aber doch innerhalb ihrer Bubble. Die Postings generieren dann zwar Likes, aber wenig Veränderung. Das Ziel sollte sein, Feminismus wieder real, greifbar und für alle interessant zu machen. Unsere Anliegen sind ja auch mehr als ein Meme. Wir wollen mehr bewirken, als ein catchy Tweet. Und hier wären wir bei den Sex Postive Partys: Da Keine_r mehr gern wild demonstrieren möchte, passen die Sex Positive Partys wie die Faust aufs feministische Auge des Jahres 2018. Im erweiterten Sinne werden auch BHs verbrannt.

 

Der “sex positive feminismn” ist in den 80ern als Konter-Bewegung zu den aufkommenden Porno-Bildern entstanden. Die Partys, die sich in diese Bewegung einreihen, haben ein Ziel: Das Feiern des Körpers und der Sexualität an sich und das an einem sehr freien Ort, an dem keine Vorurteile existieren. Deshalb werden sie heute besonders von marginalisierten Sexualitäten, wie zum Beispiel Trans-, aber auch Homosexuellen, besonders gern gefeiert.

 

Als ich meinem Kollektiv das erste Mal die Idee vorgestellt habe, hielt man mich für verrückt.

 

In Wien würden doch Frauen niemals in Unterwäsche fortgehen und überhaupt würden eher nur Vergewaltiger vorbeikommen. Der Spin der Party in Wien war auch ein anderer, als der in Berlin: Wir haben beschlossen, dass 50% der Gäste weiblich* sein müssen. Das ist äußerst unüblich für Partys in diesem Segment, aber wichtig für das Sicherheitsgefühl der Frauen. Und auch, damit sie sich fallen lassen können. Wie so eine Party abläuft könnt ihr hier, hier oder hier nachlesen.

 

Ich möchte auf die feministischen Aspekte eingehen: Jede_r struggelt ein wenig bis sehr mit ihrer/seiner Sexualität, Frauen jedoch besonders. Ich rattere jetzt nicht die Statistiken zu weiblichen Orgasmen runter, weil es mehr als die Gipfelung gibt und ein Orgasmus mit der Sexualität nur fadenscheinige Berührungspunkte hat. Ich rattere jetzt auch nicht Statistiken zu Komplexen, Idealbildern, Missbräuchen und psychischen Krankheiten runter.

 

Für diesen Blogbeitrag, habe ich auf Instagram meine Follower_innen zur sexuellen Bildung und Sexualität befragt: 300 Menschen haben mitgestimmt, 91% sagen, dass sie ihr Wissen nicht aus der Schule haben. Ist das nicht sehr traurig? Wissen ist bekanntlich Macht und deshalb ist es äußerst traurig, dass wir etwas so wahnsinnig Essenzielles tabuisieren und mit Scham bedecken. Die eigene Sexualität kann Depressionen auslösen, Lebenszufriedenheit steigern oder sich ständig verändern – und wir lernen nichts darüber. Auch nicht voneinander: Sex ist auf den Small Talk-Ranking irgendwo beim Kacken, nur passiert zweiteres wirklich ohne zutun, hat mit anderen Menschen wenig zu tun und läuft biologisch durchaus immer gleich ab. Was ich sagen möchte:

 

Egal ob konservativ oder liberal: Die eigene Sexualität und das Ausleben dieser ist unermesslich für die eigene Lebenszufriedenheit.

 

Wenn man normalen Menschen im Alltag von der Party erzählt, haben sie eine Massenorgie im Kopf. Es ist schwer sie im schnellen Gespräch darüber aufzuklären, dass Sex eine absolute Nebensache ist und es hierbei um das Ausleben und Ausprobieren geht. Zu der Party kamen Männer, die Crossdressing oder auch mal Schmusen untereinander ausprobierten. Es waren Menschen da, die Dreier probiert haben, es waren Paare und Freundesgruppen da. Es waren genug Menschen da, die nichts wollten, außer schauen und die mir noch Tage danach begeisterte Nachrichten über die Party geschrieben haben. Vor allem waren Menschen da, die sich nicht als Feminist_innen deklarieren würden – es jetzt aber tun. Weil sie mit dieser Party einer konkrete Maßnahme kennengelernt haben: Offen übers Ficken zu reden, jeder/m ihren/seinen Raum für die seltsamsten Anflüge an Sexualität zu geben, ist eben durchaus für alle Gäste eine unterstützenswerte Sache.

 

Die Begeisterung rührt nicht nur wegen der Musik, sondern weil man auf dieser Party Menschen kennenlernt. Und ich meine so richtig kennenlernen. Mit einem Crossdresser oder einer Domina halbnackt bei der Bar zu sitzen, Bier zu trinken und automatisch deepe Themen, wie “Wer bin ich, warum bin ich das und wie werde ich glücklich?” zu haben, macht etwas mit der Persönlichkeit. Man öffnet sich anderen Lebensrealitäten und man versteht. Crossdressing ist dann nicht mehr ein #-Artikel im Feed, sondern wird greifbar, menschlich und vor allem nachvollziehbar. Ich habe gesehen, wie sich Politiker_innen aus sehr konträren Lagern (wir haben keine FPÖ-Menschen, no worries) verstanden haben. Wie medial bekannte Menschen verschwitzt und grinsend aus dem Nebel am Mainfloor zur Bar wankten.

 

Was für mich persönlich wirklich rührend ist, ist aber das Feedback der Frauen. Fast alle, die mit mir nach den drei Partys sprachen, haben gesagt, dass sie weniger bis gar nicht angemacht wurden. Da wir hart selektieren und jeder Gast grundsätzlich (fast) nackt ist, herrscht eine andere und vertraute Stimmung. Nach der letzten Party sprach eine Frau, die an einer Essstörung leidet, mit mir. Für sie war es ein Graus auf die Party zu gehen, ihren Körper so offen zu zeigen – aber sie hat es gemacht und sich auch bedankt: “Ich habe mich schon lange nicht so wohl gefühlt.” Frauen, die Probleme mit ihren Schenkeln oder anderen Körperteilen haben, gehen selbstbewusst raus.

 

Es ist wie #BodyPositivity nur in real und somit viel wirkungsvoller. Es ist wie #BodyPositivity, nur auch für Menschen, die nicht verstehen, was das sein soll. Oder auch: Was einst FKK war, kann heute eine Sex Positive Party sein.

 

Ein Mensch hat uns geschrieben: “Es war als wären alle ewig befreundet.” Und suchen wir nicht alle nach so einer realen Verbindung? Nach so einer Stimmung, als wäre man ewig in einer regen WhatsApp-Gruppe?  Da gibt es sie. Und ich sage das alles als Gast, nicht als Veranstalterin. Da wir eh nie mehr als 500 Gäste reinlassen werden, geht’s mir hier nicht um billige Werbung. Ich bin als Gast von meinen Erlebnissen begeistert.

 

Mein Punkt ist: Diese Party ist so viel, viel, viel mehr als eine “Sexparty”. Sie vereint das Body Positivity Movement mit Aufklärung und Feminismus. Bei der letzten Party waren auch wirklich durchgehend 50% weibliche Gäste da und  wie soll ich es sagen, ohne komplett esoterisch zu wirken: Man hat gemerkt, dass die weibliche Energie den Abend leitet. Man hat es beim Tanzen gemerkt, man hat es beim Getränke bestellen gemerkt. Es war magisch. Ich möchte auch betonen, dass diese Party hauptsächlich von Frauen veranstaltet wird und diese an diesem Abend auch viel arbeiten.

 

Man muss nicht GangBangs verfallen oder in die Domina-Szene eintreten, um mal sich selbst zu reflektieren und andere kennenzulernen. Oder auch nur eine Grenze zu überspringen: Meine erste war, überhaupt in Unterwäsche feiern zu gehen. Meine Oma hat mal zu mir gesagt: “In einer Welt voller Männer vergessen wir unsere weibliche Kraft”. Für mich stimmt das, da die Gesellschaft meistens nur “männliche” Eigenschaften goutiert. Wenn wir unsere Weiblichkeit channeln, uns wohl fühlen und wir auf Konventionen scheißen, können wir MINDESTENS eine großartige Atmosphäre schaffen – das kann ich als eine der Veranstalterinnen der Party mit Sicherheit sagen. So wie diese Hexen hier:

 

 

Aber, weil es nicht das Internet ist: Selbst vorbeikommen und erleben lohnt sich. Wem es nicht taugt, kann ja gehen – quasi wie eine Story weiterswipen, nur dass man draußen war. Ist durchaus zacher, aber wie heißt es schön: Alles, was wir einfach so ohne Anstrengung haben können, ist uns auch nicht so viel wert.

 

Viva La Vulva Gastautorin

Frederika Fredi Ferková

Frederika hat Soziologie und Medienmanagement studiert. Sie ist eine starke Frau aus dem Osten, Veranstalterin und freie Redakteurin für diverse on und offline Magazine.

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