Nehmt ihr uns eine, antworten wir alle!

Während ich versuche, meine Gefühle und Gedanken zu dem furchtbaren Femizid an Nadine, jene Wienerin, die von ihrem Ex-Freund mit Benzin übergossen und angezündet wurde, zu ordnen, blinkt mein Handy auf: „Ehefrau mit Messer getötet“ – Jetzt ist es also schon wieder passiert und schon wieder und schon wieder. „Mann tötet Ehefrau“, „Mordalarm“, „Beziehungsstreit eskaliert“ – bei jeder dieser Schlagzeilen durchströmt mich tiefe Trauer, Fassungslosigkeit, Ohmacht aber vor allem Wut. Wut auf Männer, in deren Augen Frauen Besitztümer sind, Wut über Gesetze, die Frauen nicht ausreichend vor Gewalttätern schützen, Wut auf Medien, die von Beziehungstat statt von Mord schreiben und Wut auf das Patriarchat, das stets Ausreden findet, warum ein Gewalttäter so gehandelt hat: „Sie wollte ihn doch verlassen“, „Er hatte Angst, dass sie die Kinder mitnimmt“, „Es war eine Kurzschlussreaktion von ihm“, „Er hat kurz davor seinen Job verloren“, „Es ist im Streit passiert“

DURCHSAGE:

Gewalt gegen einen Menschen ist durch nichts zu rechtfertigen! Und was bei Femiziden oft vergessen wird: Gewalt ist kein Ausdruck von Liebe!

Eine Bilanz, die niemand sehen will

„Es ist damit der bereits siebte Frauenmord in diesem Jahr.“, so enden die Berichte nach einem Femizid nun meistens. Ein nüchterner Satz, der sich – aus meiner Beobachtung heraus – seit 2018 eingebürgert hat. Damals hat es eine Serie an Femiziden in Österreich gegeben. Am Ende waren 42 Frauen von ihren (Ex)-Partnern/(Ex)-Ehemännern getötet worden. Zum Vergleich: 2014 gab es 19 Femizide, die Zahl hat sich also innerhalb von 4 Jahren mehr als verdoppelt. Aber warum beschäftigen wir uns so mit Frauenmorden, geben ihnen sogar einen speziellen Namen, nennen sie Femizid? Ist ein Mord nicht ein Mord und furchtbar, egal welches Geschlecht das Opfer und welches der Täter hat? 

Das System dahinter

Natürlich ist jeder Mord furchtbar. Aber das Tragische und Unverzeihliche an Femiziden ist, dass dahinter ein System namens Patriarchat steckt. Ein System, das Frauen zu Objekten macht, lieber von Gewalt gegen Frauen als von Männergewalt spricht und eine Trennung als potentielle Entmachtung des Mannes bewertet. Ein System in dem Frauen* bei der Auflösung einer romantischen Beziehung potenziell mit dem Tod rechnen müssen und in der ein gewalttätiger Mann oftmals keine Konsequenzen zu fürchten hat. 
Ein Femizid bezeichnet also nicht nur den Mord an einer Frau, sondern einen Mann, der eine Frau aufgrund ihres Geschlechtes umbringt. Statistisch gesehen werden weltweit zwar mehr Männer als Frauen ermordet, jedoch waren bei Morden durch einen Partner oder die eigene Familie, 2/3 der Opfer Frauen. Da ist es mehr als überfällig, dass die Unterkategorie des Femizids in den 1990er Jahren – ausgehend von den USA – eingeführt wurde. 

Und der Femizid ist nur die Spitze des großen Eisberges Männergewalt. So erlebt in Österreich jede 5. Frau ab ihrem 15. Lebensjahr sexuelle und/oder physische Gewalt. Hinter jedem Frauenmord, steckt ein jahrelanger Leidensweg, geprägt von körperlicher, sexueller und psychischer Gewalt, dessen letzte Eskalation der Mord ist. Nadine wurde schon jahrelang von dem späteren Täter in der Beziehung gequält und überwacht. Gegen jenen Mann, der im Februar seine Partnerin in Wien-Favoriten erwürgt hat, hat die Polizei bereits mehrere Betretungs- und Annäherungsverbote ausgesprochen.

Das Problem mit den Betretungsverboten

Geholfen hat das nichts. Trennung ist die gefährlichste Phase für eine Frau. Wenn sich der vermeintliche Besitz des Mannes aus seinem Einflussbereich entfernt. „Wenn ich sie nicht haben kann, dann soll sie niemand haben“ „Wenn sie mich nicht will, dann hat sie es nicht verdient zu leben“ Gerade wenn Frauen alle die Kraft und Mut zusammengenommen haben und sich aus einer gewalttätigen Beziehung befreien, wird sie ermordet. Meist entnimmt man den Artikeln auch, dass es gegen den späteren Mörder auch schon Betretungsverbote gab, dass es schon mehrere Polizeieinsätze in der Wohnung gab und der Mann mehrmals weggewiesen wurde, auch die Nachbarn haben immer wieder lauten Streit aus der Wohnung vernommen und in manchen Fällen war der Mann auch schon wegen Gewaltdelikten vorbestraft. Ein Satz, der dann leider viel zu oft Polizeiseite fällt: „Wir können erst handeln, wenn eine konkrete Tat vorliegt.“ Zynisch, wenn es dabei um Mord geht. 

Was tun? 

Darüber reden und die Dinge klar benennen. Ein Mord ist ein Mord, keine Beziehungstat, kein Ausrutscher und keine Konsequenz einer partnerschaftlichen Auseinandersetzung. Ein Mord ist unverzeihlich und kann durch nichts gerechtfertigt werden. Femizide sind Produkte des Patriarchats, in dem Männer ihre Dominanz auch durch körperliche und sexuelle Gewalt zeigen und es nicht gelernt haben Konflikte, gewaltfrei zu lösen. Mehr als je heißt es deshalb: NEHMT IHR UNS EINE, ANTWORTEN WIR ALLE! 

Meine Anteilnahme gilt den Angehörigen und Freund*innen von Nadine und allen Hinterbliebenen von Femiziden.

Hilfe für Gewalt-Betroffene:

Frauenhelpline (Mo-So, 24 h, kostenlos): 0800/222 555 
Frauennotruf der Stadt Wien (Mo-So, 24 h, kostenlos): 01/71 71 9

Quellen & Links

https://www.aoef.at/index.php/zahlen-und-daten

http://femicide-watch.org

https://bmi.gv.at/bmi_documents/2607.pdf (Kriminalstatistik Ö 2020)

https://www.derstandard.at/story/2000125660202/femizide-in-oesterreich-schon-wieder-wurde-eine-frau-ermordet

https://story.heute.at/—virtuelle-ostern–eine–taxifahrt-und-frauenmorde—/index.html

https://www.puls24.at/video/du-gehoerst-mir-wenn-gewalt-an-frauen-toedlich-endet

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