Generischer Sexismus oder doch nur Faulheit umzudenken?

Punkteabzug auf Unis für Studenten, die ihre Arbeiten nicht gendern sind keine Seltenheit mehr. Gleiches gilt natürlich für Studentinnen, aber das war mitinbegriffen, falls das den Feministinnen unter euch nicht klar war. Sind ja nicht alle Feministen, Feministinnen, Feminist*innen oder was auch immer. Aber das ist eine ganz andere Problemstellung. Nämlich die „Natürlich-bin-ich-für-Gleichberechtigung-aber-ich-bin-doch-kein-Feminist-Aussage“. Äußerst spannend für die Analyse von gespaltenen Persönlichkeiten. Ich widme mich jetzt vorerst mal der Gendern-Problematik.

 

Man kann ja noch darüber streiten, ob geschlechtsneutrale Partizipien eine Lösung wären, aber während wir bei den Studierenden noch vor keinem Problem stehen, können wir das bei Dozierenden schon nicht mehr behaupten. Handelt es sich nun um einen beruflichen Dozenten – oder pardon – eine Dozentin oder bloß eine in einer spezifischen Situation vortragende Person? Was für Auswirkungen das allein im rechtlichen Raum nach sich zeiht!

 

Nicht zu erwähnen, zu welchen umständlichen Maßnahmen mich Gendern zwingt! Statt Spielerinnen der Nationalmannschaft soll es ein Nationalteam sein oder statt Lehrer muss ich die Lehrkräfte schreiben, was für ein Aufwand. Schließlich macht es doch keinen Unterschied ob Lehrer oder Lehrerinnen die Kinder unterrichten oder ob nur Taucher oder auch Taucherinnen[1] jene Kinder in der eingestürzten Höhle in Thailand vor paar Monaten gerettet haben. Ob mein Arzt eine Ärztin ist, interessiert auch keinen Menschen und schon gar nicht stehle ich damit der Frau ihren Platz in männlichen dominierten Berufsfeldern wie der Politik. Die Existenz der Frau schwindet doch nicht, nur weil ich nie von ihr spreche – klar doch gibt es auch Politikerinnen unter den Politikern. Ist ja nicht so als gäbe es mittlerweile wissenschaftliche Daten& Fakten, die bestätigen, dass Sprache unser Denken formt, aber das sind natürlich fake News. Lasst euch von so etwas nicht beunruhigen.

 

 

Was dieser äußerst sinnvollen Argumentationslinie keinesfalls fehlen darf, sind folgende Beispiele:

 

  1. Türkische oder ungarische Frauen dürften eigentlich keine Probleme mit gendergerechter Sprache haben, da es in ihren Sprachen ja nur einen Genus gibt. Aber wer kann mir jetzt erzählen, dass gerade in diesen Ländern Gleichberechtigung besteht? Von wegen also Gendern ist wichtig für Feminismus

 

2. Worüber reden wir hier noch? Wann wollen diese bösen Feministinnen aufhören uns die deutsche Sprache zu verunstalten, wo es doch ohnehin zu viele Anglizismen gibt? Bei der Staubsaugerin, der Bleistftspitzerin und dem BürgerInnenmeisterInzimmer?

 

3. „Als aufrichtiger Verfechter von mehr Tierrechten würde ich mir auch wünschen, dass das Schwein mehr als ein Neutrum verdient hätte.“, meint Ulrich Greiner, der sich zum Glück selbst noch voller Stolz konservativ nennt. (Auch ein gutes Beispiel für typisch rational männliches Denken, nicht?)

 

4. Bei dem allgegenwertig vorherrschenden Sexismusverdacht, ist ohnehin keiner mehr unschuldig, schon gar nicht die Männer. Als ob der Gender Pay Gap sich verringern würde – den es zum Glück nur bei der Spezies Feministin gibt, die Anzahl der Misshandlungen zurückgehen und den Chauvinisten ihre Sprüche ausgehen. „Frauen sind schlechte Autofahrer“ kann demnach ohnehin keine Beleidigung für eine sich als Frau identifizierende Person sein.

 

5. Und als ob das alles nicht genug Drama wäre, stehen wir hier schon vor der nächsten Absurdität. Wie viele Endungen wir in Zukunft an unsere Nomen für LSBTTIQ anhängen müssen ist mir schleierhaft. Zurzeit reicht ja ein Sternchen, aber wer weiß was da noch kommt.

 

Ich kann dem ganzen nur ein Zitat in Form von Fragen anfügen, welche Lera Boroditsky ihrem Publikum am Ende ihres TED Talks (sehr empfehlenswert) stellt: „Warum denke ich so wie ich denke? Wie könnte ich anders denken?“ Und am wichtigsten: „Was für Gedanken will ich hervorbringen?“[2]

 

Die obenstehenden Gedanken sind es für mich sicherlich nicht, auch wenn ich diese zutiefst verärgert niedergeschrieben habe in dem Wissen, dass es sie gibt unter meinen Kommiliton*innen im Fach „wissenschaftliches Schreiben und Arbeiten“. Und jenen gelten auch diese Fragen. Stellt sie euch und seid ehrlich zu euch selbst!

 

Ich bin der tiefen Überzeugung, dass wir beispielsweise im germanischen Raum aufgrund unserer Sprache massiv unser Denken beeinflussen. Und ganz ehrlich, wie hässlich kann ein Binnen-I oder ein Sternchen eine wissenschaftliche Arbeit schon machen? Wie unflexibel ist man in seinem Denken, wenn diese Kleinigkeit einen Text so schrecklich unleserlich macht? Oder vielleicht anders: Denkst du nicht auch, dass wenn du von klein auf nichts anderes gekannt hättest und Gendern die Norm wäre, du dann noch Schwierigkeiten hättest? Vielleicht wärst dann gerade DU zu  unflexibel um umzudenken und würdest auf die Barrikaden steigen, weil  es jemand abschaffen will.

 

 

 

Sei nicht faul, denk an die Welt, in der deine Kinder aufwachsen sollen. Am Ende ist ein generisches Maskulinum nämlich auch nur unbewusster und vor allem unterbewusst wirkender Sexismus.

 

[1] http://www.spiegel.de/panorama/thailand-alle-kinder-und-trainer-aus-hoehle-gerettet-a-1217663.html – da waren ganz offensichtlich nur Spezialtaucher und Retter im Einsatz, keine Weiblichen. Oder etwa doch? Könnten ja schließlich auch mitgemeint sein…

[2]https://www.ted.com/talks/lera_boroditsky_how_language_shapes_the_way_we_think?language=de, TED Talk von Lera Boroditsky

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